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27.07.2022 Gesetzliche Erbenberufung in der Landwirtschaft

Gesetzliche Erbeinsetzung nach der Höfeordnung

Bei landwirtschaftlichen Flächen und insbesondere bei Höfen gelten im Bereich des Erbrechts Besonderheiten bzw. Abweichungen vom Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB).

Das soll an der Höfeordnung (HöfeO) vom 24.04.1947 dargestellt werden. Dieses Spezialgesetz zur Vererbung von Höfen zeigt schon eine Besonderheit des landwirtschaftlichen Erbrechts: es gilt nicht im ganzen Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, sondern lediglich in den Bundesländern Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen sowie Schleswig-Holstein (entspricht grob der britischen Besatzungszone nach dem Zweiten Weltkrieg; ähnliche Regelung seit 2019 auch in Brandenburg). Das landwirtschaftliche Erbrecht ist also „zersplittert“, indem vorwiegend in Norddeutschland die Höfeordnung gilt, während etwa in süddeutschen Bundesländern das BGB zur Anwendung kommt, was zu einer Aufteilung des Hofeigentums führen kann. Denn während die Höfeordnung die Einsetzung eines Hoferben, d.h. eines Abkömmlings des Hofinhabers, vorsieht (Anerbenrecht), kann die gesetzliche Erbfolge des BGB eine Verteilung des Hofes „nach Köpfen" bewirken (Realteilung).

Grundsätzlich kann die Einsetzung eines Erben durch letztwillige Verfügung des Erblassers geregelt werden, doch sieht die Höfeordnung mit Rücksicht auf Belange der Landwirtschaft (Erhalt landwirtschaftlicher Betriebe) auch eine Berufung kraft Gesetzes vor. Der kraft Gesetzes zum Hoferben Berufene kann dieses Erbrecht dann auch gegen eine mittels letztwilliger Verfügung eingesetzte Person durchsetzen: gemäß § 16 Absatz 1 Satz 1 HöfeO kann der Eigentümer die Erbfolge kraft Höferechts durch Verfügung von Todes wegen nicht ausschließen! Ob ein wirtschaftsfähiger Abkömmling ein gesetzliches Erbrecht aus der Höfeordnung herleiten kann, bestimmt sich nach Kriterien dieses Spezialgesetzes.

Zunächst muss aber festgehalten werden, dass die bloße Aussicht eines Abkömmlings, entweder aufgrund gesetzlicher Berufung nach der Höfeordnung oder durch Verfügung von Todes wegen Erbe zu werden, grundsätzlich nur eine Chance und kein Recht darstellt.

Generell hat infolge der Testierfreiheit zu Lebzeiten des Erblassers niemand ein „Recht", später einmal Erbe zu werden. Von Interesse ist indes, ob ein Abkömmling bereits eine rechtlich gesicherte Anwartschaft auf das Erbe erlangt hat, die einem subjektiven Recht gleichzustellen wäre. Eine solche Anwartschaft kann nach dem Erbrecht des BGB begründet werden - entweder durch einen Erbvertrag oder durch ein gemeinschaftliches Testament, sobald dieses bindend geworden ist. Daneben sieht auch die Höfeordnung Situationen vor, in welchen ein Anwartschaftsrecht auf das Hoferbe besteht: bestimmte Sachverhalte führen zum Schutz berechtigter Vertrauenserwartungen eines Abkömmlings gegen beeinträchtigende Verfügungen des Hofeigentümers.

6 Absatz 1 HöfeO („Einzelheiten zur Hoferbenordnung“) leitet unmissverständlich wie folgt ein: „In der ersten Hoferbenordnung ist als Hoferbe berufen:….". Nach Satz 1 Nr. 1. ist dies ein Miterbe, dem die Bewirtschaftung des Hofes durch den Erblasser auf Dauer übertragen wird. Die Folge einer derartigen Übertragung auf Dauer ist, dass die Bestimmung eines anderen zum Hoferben unwirksam wäre (§ 7 Absatz 2 Satz 1 HöfeO). Die gesetzliche Berufung zum Hoferben nach § 6 Absatz 1 Nr. 1. HöfeO setzt voraus, dass der potentielle Erbe Haus und Hof insgesamt nutzt. Abkömmlinge, die den zum Hof gehörenden landwirtschaftlichen Besitz ganz oder zu einem erheblichen Teil nicht selbst bewirtschaften oder die nur einzelne der zum Hof gehörenden Flächen gepachtet haben, sind nicht nach dieser Vorschrift als Hoferbe berufen. Außerdem endet die Wirkung des gesetzlichen Berufungsgrundes der Nr. 1, sobald der berechtigte Abkömmling die Bewirtschaftung beendet.

Eine Anwartschaft kann ferner durch Beschäftigung auf dem Hof erworben werden (§ 6 Absatz 1 Satz 1 Nr. 2. HöfeO). Dabei muss die Beschäftigung des Abkömmlings auf dem Hof nach Art und Umfang allerdings derart gestaltet sein, dass mit ihr der Wille des Hofeigentümers zum Ausdruck kommt, der auf dem Hof arbeitende Abkömmling soll der Hoferbe sein. Ist diese Voraussetzung erfüllt, kann der Hofeigentümer dem Abkömmling die Position durch eine letztwillige Verfügung nicht mehr entziehen (§ 7 Absatz 2 Satz 2 HöfeO). Eine Anwartschaft aufgrund Beschäftigung ist anzunehmen, wenn sich der Abkömmling unter weitgehendem Verzicht auf eine andere Beschäftigung der Bewirtschaftung des Hofes gewidmet hat. Dafür wird eine jahrelange Beschäftigung auf dem Hof verlangt, welche über Dienstleistungen in Haus und Geschäft hinausgeht, die nach Familienrecht von im Haushalt der Eltern lebenden Kindern geschuldet wird. Auch der Umfang über die in der Landwirtschaft üblichen Mithilfen erwachsener Kinder für die Eltern muss einigermaßen deutlich überschritten werden. Bloße Hilfeleistungen des Abkömmlings für Eltern oder Großeltern sind keine Beschäftigung in dem landwirtschaftlichen Betrieb Die Entgegennahme bloßer Hilfeleistungen für Eltern oder Großeltern ist kein Indiz für den Willen des Hofeigentümers, dass der helfende Abkömmling der Hoferbe sein soll.

Sofern die Tätigkeit des Abkömmlings nicht den erforderlichen Umfang erreicht, kann von einer formlosen Hoferbenbestimmung nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nr. 2. HöfeO nur ausgegangen werden, wenn zu der zeitweisen Beschäftigung auf dem Hof besondere Umstände hinzutreten. Dies kann eine Ausbildung des Abkömmlings zum Landwirt und dessen Benennung als Hoferbe in letztwilligen Verfügungen sein.

Zu erwähnen wäre noch § 6 Absatz 1 Satz 1 Nr. 3. HöfeO, wonach in dritter Linie gesetzlicher Hoferbe der Älteste der Miterben wird - oder bei entsprechendem Gebrauch von Jüngstenrecht auch der jüngste Miterbe.

Abschließend sei darauf hingewiesen, dass in noch selteneren Fällen die Erlangung einer Anwartschaft auf das Hoferbe auch in Betracht kommt, ohne dass einer der besonderen Tatbestände von § 6 HöfeO verwirklicht wurde. Dies kann bei Hofübergabevorverträgen der Fall sein, die mangels Einhaltung der Schriftform nicht wirksam abgeschlossen worden sind, aber aus besonderen Umständen die Berufung auf den Formmangel nicht zulassen. Die Rechtsprechung wendet hier den Grundsatz von „Treu und Glauben" zur Vermeidung unerträglicher Härten an und kommt zur ausnahmsweisen Wirksamkeit eines formlos abgeschlossenen Hofübergabevorvertrags, wenn die als Hofübernehmer vorgesehene Person mit Rücksicht auf die mündliche Zusage des Erblassers erhebliche Opfer erbracht hat, insbesondere eine sichere Lebensstellung für sich und ihre Familie aufgegeben sowie ständig auf dem Hof gelebt und gearbeitet hat.